Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
Rocco Curti
An der südwestlichen Ecke der nördlichen Eilenriede liegt die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH) als drei- bis viergeschossiger, höhengestaffelter Massivbau mit stark plastisch gestalteten und durch Vor- und Rücksprünge gegliederten Fassaden aus schalungsrauem Sichtbeton und Kalksandstein. Der Innenhof der Hochschule öffnet sich nach Norden hin zum Stadtwald. Die heutige HMTMH wurde 1970-1973 von den im Hochbauamt der Landeshauptstadt Hannover tätigen Architekten Rolf-Dieter Ramcke und Max Widiger als erste Musikhochschule der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik Deutschland errichtet. Erhalten geblieben ist hier unter anderem die komplexe Farb- und Materialgestaltung der Bauzeit, welche an allen Innenräumen und an allen Außenfassaden vorzufinden ist.
Die Hochschule für Musik und Theater wurde im Zeitraum von 1970 bis 1973 nach einem Entwurf von Rolf-Dieter Ramcke (1933-2020) errichtet. Einschlägig bekannt geworden ist der Architekt und Hochschullehrer Professor Ramcke zum Beispiel auch durch den Bau der Kindertagesstätte Sylter Weg (Hannover-List, Sylter Weg 20, 1966-67). Über dreißig Jahre lang (1962-1996) war er als entwerfender Architekt für öffentliche Bauten im Hochbauamt der Stadt Hannover tätig und schuf wichtige Werke innerhalb der Stadtbaugeschichte der niedersächsischen Landeshauptstadt. Unter maßgeblichem Einfluss des damaligen Direktors Richard Jakoby (1929-2017) und unter Mitbestimmung der Lehrkräfte wurde am Übergang zum Stadtwald Eilenriede eine Hochschule errichtet, die nicht nur Ausbildungsstätte sein, sondern sich auch den an Musik und Theater interessierten Bürgern öffnen sollte. In dieser Form zur demokratisch-offenen Kommunikation und Begegnung einladend steht die HMTMH heute noch programmatisch für die damalige gesellschaftliche Aufbruchstimmung Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre. Erstmals wurden hier inhaltlich sieben verschiede Abteilungen (Musikpädagogik, Kirchenmusik, Konzert, Orchester, Oper, Schauspiel und Tanz) in Lehre und Forschung komplex in einem Bau vereint. Weiterhin hatte der Bau neuen Anforderungen für Pädagogen, Therapeuten, bis hin zur Erwachsenenbildung zu genügen. Zudem trat experimentelles Arbeiten mit modernen Theaterformen oder neuen technischen Möglichkeiten und die Beschäftigung mit neuen Musikrichtungen in den Vordergrund, Werkstattgespräche und Workshops lösten den Frontalunterricht als Methode ab. Für seinen Entwurf erhielt der Architekt in Fachkreisen breite Anerkennung. Die Hochschule beeinflusste – als erster Neubau seiner Art in der Bundesrepublik – spätere Bauten.
Der außergewöhnliche Entwurf der Hochschule nimmt im Architekturschaffen der späten Nachkriegsmoderne für die Stadt Hannover und das Land Niedersachsen eine Sonderstellung ein. Es gibt sehr wenig vergleichbare Objekte bei denen die Umsetzung der Bauaufgabe in Bauform, Grundrisslösung und Erscheinungsbild so sehr gelungen ist wie an diesem Bauwerk. Der Bau verfügt nicht über Fassaden im herkömmlichen Sinn. Der Baukörper ist vielmehr räumlich fließend, organisch zusammengefügt und bietet sehr viele Begegnungs- und Kommunikationsflächen innen wie außen an. Diese pittoreske Architekturgestaltung wird einerseits durch die Stapelung einzelner Raumvolumen nach außen hin und andererseits durch das terrassenartige Abtreppen zum Innenhof hin ins Lebhafte gesteigert. Trotz blockartiger Wirkung und Einsatz des Sichtbetons mit schalungsrauer Oberfläche, vermittelt der Bau durch seine am Menschen bemessenen Maßstäblichkeiten und die geschickte Lichtführung sowie das einfallsreiche Farb- und Materialkonzept eine angenehme bergende Atmosphäre. Die äußere Sichtbetonschicht ist, das ist eine baukonstruktive Besonderheit, nichttragend als vor Ort gegossener Leichtbeton mit Dämmwirkung ausgeführt. Sie enthält Zuschläge aus Blähschiefer und Hüttensand. Das eigentliche, statisch wirksame Betontraggerüst befindet sich in tieferliegenden Fassadenschichten.
Ab den Jahre 2017 wurde aufgrund vorhandener Schäden eine Teilfläche der Innenhoffassade in Sinne eines Pilotprojektes saniert. Die Maßnahme wurde von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) innerhalb des Denkmalschutz Sonderprogramms aus Bundesmitteln gefördert. Nach einer komplexen, interdisziplinären Grundlagenermittlung wurde ersichtlich, dass sich an der außenliegenden Leichtbetonschicht bereits kurz nach der Entstehungszeit ein karkeleeartiges Risssystem gezeigt hat und der Schadprozess weiter fortschreitet. In den 1990er Jahren hatte man zwischenzeitlich versucht, den fortlaufenden Zerfall durch ein Anstrichsystem aufzuhalten und die Risse zu kaschieren. Vermutlich hat das aufgebrachte Anstrichsystem die Zermürbungsprozesse an der Leichtbetonschale jedoch beschleunigt. Im Zusammenwirken zwischen Nutzern, staatlicher Denkmalpflege, Staatlichem Baumanagement Hannover, beauftragen Planern und Restauratoren sowie Materialtechnologen wurde beschlossen, die gesamte Leichtbetonaußenschicht abzutragen und neu aufzubringen. Als ein besonderer Glücksfall ist der Umstand zu nennen, dass der Architekt Rolf-Dieter Ramcke dem Projekt beratend zur Seite stehen konnte.
Im Ergebnis der Maßnahme an der Fassade entstand im ersten Bauabschnitte die Kopie der Außenschale aus vor Ort gegossenem Leichtbeton inklusive der Wiederholung der Rezeptur und des Schalungsbildes. Auch die Art der Bewehrung der Außenschale wurde wiederholt, die Betonüberdeckung leicht erhöht. Auf eine ausreichend lange Einschalungsphase wurde geachtet. Zur Erprobung der gewünschten Wiederholung des Erscheinungsbildes wurde extra eine Probefläche betoniert. Innerhalb des erneuten Gussprozesses waren die Hinweise von Prof. Ramcke zur ursprünglichen Schalungstechnik (Verwendung von sägerauen Brettern, Nagelanordnung, Kantenausbildung, Verwendung von Schalöl etc.) sehr hilfreich. Erhalten wurden sämtliche Holzfensterelemente, schadhafte Stellen wurden durch Tischler aufgearbeitet. Die Hochschule besticht in diesem Sinne weiterhin durch ihre baukonzeptionelle Singularität mit einem sehr hohem Aussage- und Zeugniswert für die Architektur der Zeit der 1970er Jahre. Die im ersten Bauabschnitt gewonnen Erkenntnisse zu Planung, Maßnahmenablauf und Kostenentwicklung wurden in die Vorbereitung der nächsten Bauabschnitte einbezogen. Zu erwähnen ist, dass der erste Schritt der Fassadensanierung im laufenden Hochschulbetrieb erfolgt ist.
Im Rahmen der nächsten Bauabschnitte wird es auch um die energetische Ertüchtigung der diversen Fenstertypen der Hochschulfassade gehen. Dabei ist nach erfolgter Grundlagenermittlung festzustellen, dass im Bestand teilweise Kastenfenstersituationen, dünne Isolierglasscheiben oder Einfachverglasungen vorliegen. Ziel ist es, die historischen Fensterrahmen aus lackiertem Holz zu erhalten. Hinsichtlich des Erscheinungsbildes neuer Fenstergläser ist anhand von Materialmustern festzulegen, welcher Typ, welche Glasfarbigkeit beziehungsweise welcher Tönungsgrad (sommerlicher Wärmeschutz) dem Kulturdenkmal zuträglich ist. Die Überarbeitung soll anhand von Musterfenstern modellhaft erprobt und im Vergleich zu noch unsanierten, baugleichen Raumbereichen, anhand einer Raumklimadatenerfassung begleitet werden.